Der Weg des Theologen Otto Piper in der Weimarer Republik. Eine Fallstudie zum Verhältnis von Theologie und Politik.

 

Das Projekt wird durch PRO*Niedersachsen vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur gefördert.

Im Mittelpunkt steht die akademisch-politische Biographie des Theologen Otto Piper (1891-1982) mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Zeit der Weimarer Republik. Ziel ist es, eine zeitgeschichtlich kontextualisierte Lebensbeschreibung zu erstellen und Pipers Werk in ideen- und theologiegeschichtlicher Perspektive zu analysieren. Sein Denk- und Lebensweg ist nicht zuletzt deshalb interessant, da Piper den demokratischen Rechtsstaat von Weimar vehement verteidigte, womit er sich von der nationalprotestantischen Mehrheit der Theologen seiner Zeit grundsätzlich unterschied. Hinzu kommt, dass er sich aufgrund traumatischer Weltkriegserfahrungen für Völkerverständigung und die Idee einer internationalen Ökumene einsetzte. Diese Haltung sowie seine Mitgliedschaft in der SPD erschwerten die akademische Karriere und führten 1933 infolge der NS-Machtergreifung zur Entlassung aus dem Staatsdienst, schließlich zur Emigration in die USA, wo Piper von 1937-1962 den Lehrstuhl für Neues Testament in Princeton innehatte. Lebenslauf Otto Piper.

Ziele des Projektes sind die Veröffentlichung einer Monographie sowie die Veranstaltung einer Tagung zu Otto Piper im Frühjahr 2022.

© Ulli Steltzer, Tulane Street Studio, Princeton, N.J. [ca. 1960]

Der „Fall Otto Piper“. Das Schicksal eines religiösen Sozialisten während der Ruhrbesetzung 1923.

Vortrag von Dr. Hendrik Niether, gehalten am 12. Januar 2021 im Rahmen der Ringvorlesung „Zentrale Gestalten der niedersächsischen Kirchengeschichte“ des Instituts für Theologie an der Leibniz Universität Hannover.

 

Bericht zur Tagung „Otto Piper. Eine theologisch-politische Biographie zwischen den Welten“ am 1./2. April 2022 in Hannover

Aus Anlass des 40. Todestages Otto Pipers im Februar 1982 fand vom 1. bis zum 2. April 2022 die Tagung „Otto Piper. Eine theologisch-politische Biographie zwischen den Welten“ in den Räumen des Reformierten Bundes in Hannover statt. In diesem Rahmen befasste sich ein zwölfköpfiges Expertengremium mit Fragen nach der Biographie Pipers, seiner politischen Haltung und seiner Theologie. Insbesondere seine Ethik und Ekklesiologie wurden in den Blick genommen und zu seiner Lebensgeschichte in Relation gesetzt. Das Programm finden sie hier.

Nach der Eröffnung durch die Veranstalter ging es in dem ersten Panel zunächst um eine methodische Annäherung an die Biographie- und Konstellationsforschung zur (Kirchen-) Geschichte des 20. Jahrhunderts. Prof. Dr. Angelika Schaser (Hamburg) setzte sich mit der Rolle und Bedeutung von Biographien aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive auseinander. Sie benannte Kriterien, an denen sich eine wissenschaftliche Biographie orientieren sollte, wie nicht zuletzt die Klärung der Frage nach der Repräsentativität der jeweiligen Biographie. Im Anschluss daran befasste sich Prof. Dr. Alf Christophersen (Wuppertal) mit Biographien im Spannungsfeld von Konstellation, Institution und politischer Veränderungsdynamik. Er machte deutlich, dass Biographien und Konstellationsanalysen nicht gegeneinander ausgespielt werden dürften, sondern dass es zur Erschließung von Biographien notwendig sei, sich auch mit dem Ausmessen von Denkräumen in ihrem jeweiligen diskursiven Kontext zu beschäftigen.

Im Mittelpunkt des zweiten Panels stand Otto Pipers lebens- und geistesgeschichtlicher Werdegang vor und während der Weimarer Republik. Dr. Hendrik Niether (Hannover) zeigte auf, wie Pipers Weg vom jugendbewegten Suchenden nach dem radikal Neuen bis zur Konzipierung seines Neurealismus verlief. Dr. Hansjörg Buss (Siegen) nahm daraufhin den „Fall Piper“ vom Sommer 1923 in den Blick und setzte dieses Ereignis in Relation zur Geschichte der Göttinger Theologischen Fakultät. Im Anschluss daran sprach Dr. Roger Mielke (Koblenz) über das Verhältnis von Otto Piper und Erik Peterson, die von 1920 bis 1925 beide an der Göttinger Fakultät arbeiteten und dort als Außenseiter galten. Der später zum katholischen Glauben konvertierte Peterson übte erheblichen Einfluss auf Pipers Ekklesiologie aus. Den Abschluss des Panels bildete der Beitrag von Anneke Dornbusch (Bonn), die den Göttinger Kirchenhistoriker Hermann Dörries mit Otto Piper im Sinne zweier Kontrastfiguren in der Weimarer Republik verglich.

Das dritte Panel befasste sich unter den Stichworten „Ethik, Emigration, Exil“ zum einen mit Pipers Ethik, zum anderen mit seinem Lebensweg nach 1933. Zunächst näherte sich Prof. Dr. Hans G. Ulrich (Erlangen) Pipers lutherischem Neurealismus und den daraus abgeleiteten ethischen Implikationen an. Ulrich sah in Pipers Wirklichkeitsverständnis deutliche Parallelen zu Karl Barth, Hans Joachim Iwand und Dietrich Bonhoeffer. In seinem Beitrag zum Verhältnis von Otto Piper zu Paul Leo ging Dr. Carsten Linden (Lemförde) anschließend auf Pipers Emigration und insbesondere die Hilfe ein, die dieser als Professor in Princeton dem ebenfalls emigrierten Osnabrücker Pfarrer Paul Leo zukommen ließ. Prof. Dr. Clifton Black (Princeton, USA) befasste sich ebenfalls mit Otto Pipers Zeit in den USA als Professor für Literatur und Exegese des Neuen Testaments. Den Vortrag können Sie sich unter diesem Bericht als Video ansehen. Im Anschluss daran setzte sich Prof. Dr. Peter Browning (Springfiel, Missouri, USA) mit Pipers letztem Werk von 1970, einer aktualisierten amerikanischen Fassung seiner Grundlagen-Ethik, auseinander. Den abschließenden Beitrag lieferte Prof. Dr. Marco Hofheinz (Hannover) mit einer Analyse von Pipers Sexualethik und einem besonderen Blick auf Pipers ambivalenter Haltung zur Homosexualität.

Die Ergebnisse der Tagung sollen in einem Sammelband zusammengefasst werden.

 

 

Vortrag „Piper in Princeton: Scholar, Teacher, Gentleman“, aufgezeichnet von Prof. Dr. Clifton Black (Princeton) für die Tagung „Otto Piper. Eine theologisch-politische Biographie zwischen den Welten“ am 1. und 2. April 2022 in Hannover

 

 

Bisherige Publikationen zu Otto Piper im Rahmen des Projektes:

  • Marco Hofheinz: Mit vertauschten Rollen? Die Kontroverse zwischen Otto Piper und Alfred de Quervain zur Schöpfungsordnung in den Raum- und Zeitdeutungskämpfen der Weimarer Republik. Eine problemgeschichtliche Untersuchung, in: Ders.: Die Kunst des Zusammenlebens. Politisch-ethische Studien zur reformierten Theologie, Göttingen 2022, S. 164-219.
  • Marco Hofheinz: Kampfbegriff Schöpfungsordnung. Die Kontroverse zwischen Otto Piper und Alfred de Quervain am Ende der Weimarer Republik, in: Ders., Hendrik Niether (Hg.): Glaubenskämpfe zwischen den Zeiten. Theologische, politische und ideengeschichtliche Konzepte in der Weimarer Republik, Stuttgart 2022, S. 197-222.
  • Hendrik Niether: Eine reale oder vitale Dialektik? Der Theologe Otto Piper und die Dialektische Theologie in der Weimarer Republik, in: Zeitschrift für Dialektische Theologie, 74 (2021), S. 109-133.
  • Hendrik Niether: „Der Fall Otto Piper“ – Das Schicksal eines religiösen Sozialisten während der Ruhrbesetzung, in: Marco Hofheinz, Ulf Lückel (Hg.): Zentrale Gestalten evangelischer Kirchengeschichte in Niedersachsen, Bielefeld 2021, S. 273-290.
  • Marco Hofheinz, Jens Riechmann: Zwischen Revolution und Kirchenkampf. Der Weg des Theologen Otto Piper in der Weimarer Republik, Teil I, in: Christ und Sozialist 71 (4/2018), S. 14-23 und Teil II, in: Christ und Sozialist 72 (2-3/2019), S. 79-83.
  • Marco Hofheinz, Frederike van Oorschot: „Krieg ist unter allen Umständen Sünde“. Der pazifistische Einspruch in Theologie und Biographie des lutherischen „Neurealisten“ Otto A. Piper (1891-1982), in: Dies. (Hg.): Christlich-theologischer Pazifismus im 20. Jahrhundert, Münster 2016, S. 141-168.
  • Marco Hofheinz, Hendrik Niether (Hg.): Otto Piper. Biographische, kirchliche und ethische Konstellationen zwischen den Welten, Tübingen 2023. Flyer

Informationen und Kontakt: Dr. Hendrik Niether hendrik.niether@theo.uni-hannover.de; Prof. Dr. Marco Hofheinz: marco.hofheinz@theo.uni-hannover.de